Angedacht

Feminismus

"Sei Pippi, nicht Annika!"

Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Das Mädchen, welches Symbol vieler feministischer Bewegungen ist. Unkonventionell, selbstbewusst, frech und liebenswert.
Mit ihrem Affen Herrn Nilsson und ihrem Pferd Kleiner Onkel wohnt sie in der Villa Kunterbunt und lebt ihr Leben ganz ohne Schule, Eltern und Regeln.

Sie ist laut, kümmert sich nicht um Machtstrukturen oder Geschlechterrollen und geht immer ihren eigenen Weg, so wie sie eben gerade lustig ist.
Klar, dass sie da, gerade angesichts damaliger Rollenbilder und Normen, zum Inbild einer starken Frau und damit auch Symbol feministischer Bewegungen wird. Doch wie viel Feminismus steckt tatsächlich dahinter und wann hat dieser vielleicht auch seine Grenzen?

Zunächst ist Pippi wohl einfach endlich mal anders, einfach endlich mal ein gutes Vorbild und einfach endlich mal ein Mädchen.
Ein Mädchen, welches nicht in die typische Rolle der Frau passt. Stark, aufmüpfig und unkonventionell. Zur Zeit der Erscheinung, 1945, etwas Neues und so fällt fürs Erste auch die Kritik gehäuft negativ aus. Die Geschichte sei den Kindern nicht zumutbar, ein schlechtes Vorbild in Hinblick auf Respektlosigkeit gegenüber Autoritätspersonen.

Diese Kritik, auf die „Pippi Langstrumpf“ trifft, ist aber gar nicht unbedingt schlecht, denn ist sie auch ein Zeichen dafür, dass das Buch damals bestehende Strukturen und Rollen anzweifelt oder überhaupt erstmal die Existenz dieser thematisiert.

In gewisser Weise ein Zeichen, dass das Buch funktioniert. Denn wenn starke weibliche Personen, die Abwesenheit von unterdrückenden Machtstrukturen und eigenständiges Handeln auf Kritik stoßen, dann zeigt das vielmehr bestehende Normen in der Gesellschaft auf, als tatsächlich die Unzumutbarkeit der Geschichten.

Und so scheint Pippi eine passende Figur für feministische Bewegungen zu sein. Sie verkörpert schließlich all das, was Ziel dieser Bewegung ist.

Allerdings:
Wenn die Frau in der Geschichte also nicht gerade die Rolle einer problemgebenden, langweiligen, zurechtweisenden Person spielt, werden ihr häufig gegenteilige, besonders starke Charaktereigenschaften zugeschrieben. Dabei sind diese oft typisch männlich und fungieren im Kontrast mit einer weiteren weiblichen Person, welche die Stärke der Hauptperson unterstreicht. So ist es auch in „Pippi Langstrumpf“ der Fall – Pippi ist alles andere als typisch weiblich, Annika stellt hier den Kontrast dar und scheint die Rolle der Frau einzunehmen, wie sie „nicht sein sollte“.
Grundsätzlich ist es zwar nicht falsch, ja sogar wichtig, eine weibliche Person eben stark sein zu lassen, für sich einstehen zu lassen und den Held der Geschichte sein zu lassen. Wenn Stärke weiblicher Hauptfiguren allerdings nur durch Abwertung gegenteiliger weiblicher Figuren stattfindet, ist das alles andere als feministisch. Denn es geht schließlich nicht darum, dass die Frau nicht typisch Frau sein darf, sondern nur darum, dass sie es nicht sein muss. Doch trotzdem: Kaum jemands Kindheitsheld war Annika.
Denn Annika, sei doch nicht so ängstlich. Annika, komm wir haben auch mal Spaß. Annika, sei doch mal mehr wie Pippi.
So auch der Spruch, der sich in den letzten Jahren immer häufiger in sozialen Medien, auf T-Shirts, Tassen und Karten finden lässt.

"Sei Pippi, nicht Annika"

Soll so viel heißen wie: Sei laut, sei stark, sei anders!
Erstmal ist daran gar nichts auszusetzen, doch auch hier wird durch diesen vermeintlich harmlosen Spruch nicht nur die Frau darin bestärkt eben dies zu sein, gleichzeitig findet auch eine Abwertung jener statt, die doch tatsächlich und ganz freiwillig in das typische Bild der Frau passen und denen nun gesagt wird, wie sie sein oder nicht sein dürfen oder sollten.

Die beabsichtigte Botschaft dieses Spruches ist sicherlich allen bewusst, nichtsdestotrotz findet diese Abwertung statt und sollte an dieser Stelle keinen Platz finden, denn sind es auch in der Realität gerade unauffällige, kaum sichtbare, versteckte Strukturen, die immer noch zur Benachteiligung der Frau beitragen.
Warum also nicht Sprüche, die „ja eigentlich ganz anders gemeint sind und eigentlich gar nicht abwerten sollen“, genau darin kritisieren?

Annika ist vielleicht etwas ängstlicher, geht zur Schule und hält sich an Regeln, ist dadurch aber nicht weniger liebenswert als Pippi es ist.
Also sei Pippi oder sei Annika, sei du selbst!